Autark und klimafreundlich Heizen im Oberland

Informationsveranstaltung zu Dorfheizungen und für zukünftige Wärmelieferanten

Leibersberg packt an: Die Dorfheizung in Leibersberg, Gemeinde Riegsee, ist in viel Eigenarbeit entstanden – gut für den Klimaschutz und für die Dorfgemeinschaft. Quelle: Georg Miller

Dorfheizungen können ein guter Hebel für den Klimaschutz sein und dafür, sich unabhängig von Öl und Gas zu machen. Was bei der Planung von Dorfheizungen zu beachten ist, erfuhren am 25.2. rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter Bürgermeister, Architekten und Energieberater, bei einer Online-Veranstaltung der Energiewende Oberland im EU-geförderten Heizungstausch-Projekt REPLACE.

Für den Bereich Wärme wird im Oberland fast die Hälfte der Energie aufgewendet, 44% davon in privaten Haushalten. Wie Stefan Drexlmeier von der Energiewende Oberland (EWO) bei der Veranstaltung am 25.2. berichtete, sind Dorfheizungen eine ideale Möglichkeit, neben dem Tausch einzelner Heizungen ganze Straßenzüge klimafreundlich mit Wärme zu versorgen und sich gleichzeitig unabhängig von schwankenden Energiepreisen und Öl- und Gas-Lieferungen aus dem Ausland zu machen. Auch Landrat Anton Speer (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) betonte in seinem Grußwort, dass die regionale Versorgung aus eigenen Produkten immer wichtiger werde und wies u.a. auf die Versorgung von drei Murnauer Schulen durch Waldrestholz hin.

Wie man eine Dorfheizung plant

Wie man eine Dorfheizung plant, erklärte Andreas Scharli von der EWO. Als Heizungsbauer und Energieberater hat Scharli bereits zahlreiche Projekte im Oberland begleitet, darunter kommunal getragene Anlagen in Valley und Warngau im Landkreis Miesbach bereits 2013, wo bestehende Liegenschaften und ein neu geplanter Kindergarten an eine gemeinsame Heizung angeschlossen wurden. Oder Scharlis jüngstes Projekt in Schwabsoien, wo keine Gasleitung vorhanden ist und Heizungen für ein Neubaugebiet benötigt werden.

Dabei startet die Planung einer Dorfheizung für Scharli immer mit einer Anwohnerversammlung, bei der er unverbindlich das Interesse an einer gemeinsamen Anlage, bisher benötigte Ölmenge und Alter der Heizungen ermittelt. Anschließend geht es an die Planung des kürzesten Leitungsweges zwischen den Gebäuden, um möglichst wenig Wärme zu verlieren und die Anlage rentabel zu betreiben. Die Gestaltung des Wärmepreises, Überlegungen zum Betreibermodell und Beratung zu Fördermöglichkeiten für Heizhäuser, Wärmetrassen oder die Entsorgung der Öltanks münden schließlich in einen Vorvertrag, der laut Scharli Verbindlichkeit in der Planung schaffe.

Verbindlichkeit ist auch für Felix Uhlschmied wichtig, der bei der Veranstaltung die Perspektive einer Bank vertrat. Als Mitarbeiter der Raiffeisenbank war Uhlschmied bei der Gründung der Genossenschaft Steingaden daran beteiligt, das Vorhaben auch finanziell nachhaltig zu gestalten. Da bei Wärmenetzen kaum Sicherungswerte vorhanden seien und bei Fehlschlagen eines Projektes z.B. Leitungen nicht wieder ausgegraben und neu verkauft werden könnten, seien für Banken andere Sicherungen notwendig, z.B. durch die Haftung eines Einzelunternehmers oder im Fall einer Genossenschaft durch Beteiligung einer Kommune am Projekt. Als weiteren wichtigen Punkt hob Uhlschmied die Wirtschaftlichkeitsberechnung hervor, die eine zuverlässige Rückzahlung von Kreditraten ermögliche.

Aus der Praxis

Aus der Praxis berichteten die Betreiber landwirtschaftlicher Dorfheizungen, die sich und ihre Nachbarn mit Wärme versorgen. Darunter Josef Schweyer aus Antdorf, der für Gebäude der eigenen Familie und Nachbarn Wärme liefert und durch die Verwendung von eigenem Holz Wertschöpfung für den landwirtschaftlichen Betrieb erzielt. Theresa Singer aus Hofheim, deren Familie seit Ende 2020 vier Häuser und eine Firma versorgt. Und Georg Miller, zweiter Bürgermeister der Gemeinde Riegsee, den die Idee der Dorfheizung seit seiner Zeit in der Bayerischen Waldbauernschule Scheyern nicht mehr losgelassen hat. Mit der Bäuerlichen Hackschnitzelliefergesellschaft liefert er Waldrestholz an Schulen in Murnau und ersetzt mit der eigenen Dorfheizung inzwischen 25.000 Liter Heizöl.

Erfahrung aus dem langfristigen Betrieb eines Wärmenetzes teilte Walter Huber, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Tölz. Huber betonte das wichtige Zusammenspiel von Emotion und Technik. So sei der Einsatz für den Klimaschutz auch wichtig für Kundenbindung und Zufriedenheit, denn „je mehr Zufriedenheit da ist, je mehr Kunden anschließen, umso günstiger kann das Angebot für alle sein“, so Huber. Gleichzeitig müsse die Versorgung zuverlässig funktionieren, wofür die Stadtwerke Bad Tölz z.B. einen 24/7 Service zur Verfügung stellen, der bei Ausfällen Heizanlagen umgehend repariert.

Zukunft von Wärmenetzen

Wie die Zukunft von Wärmenetzen aussieht? Laut Energieholzstudie sei im Oberland ausreichend Waldrestholz vorhanden, so Andreas Scharli und betont „Es fällt kein Baum, weil wir Hackschnitzel brauchen. Der Baum wird zur Waldpflege, für Ernte und Sägewerk gefällt, aber nicht, um Hackschnitzel zu gewinnen.“ Um Ressourcen zu schonen, spiele Energieeinsparung eine zentrale Rolle mit der Dämmung von Dächern, Austausch von Fenstern und Vollwärmeschutz. Und würden im laufenden Betrieb einer Dorfheizung bereits angeschlossene Gebäude nachträglich besser gedämmt, könnten Gebäude, die auch an der Trasse liegen, zusätzlich angebunden werden. Georg Miller aus Riegsee kann durch eine mit Sonnenenergie betriebene Trocknungshalle das Holz für die Murnauer Schulen noch effizienter einsetzen. Und Walter Huber von den Stadtwerken Bad Tölz sieht die Zukunft in der Kopplung zwischen den Sektoren Wärme, Strom und Verkehr, so dass bei Energieüberschüssen in einem Bereich die anderen Sektoren bedient werden können. Damit würde zum Beispiel an Sommersonntagen überschüssig produzierter Strom nicht verschenkt, sondern komme in Heizkessel, die ans lokale Wärmenetz angeschlossen sind. Dass Wärmenetze nicht auf Biomasse fixiert seien, betont auch Andreas Scharli am Ende der Veranstaltung „Wir können in Zukunft nach und nach auch andere Energieträger einbinden, z.B. Brennstoffzellen, Wasserstoff oder Solarthermie“. Weil Dorfheizungen im Oberland gegenwärtig noch mit Biomasse betrieben werden, antwortet er auf die Frage nach dem Feinstaub „Hier ist Differenzierung wichtig. Jede moderne Holzheizung, und wenn sie noch so klein ist, verfügt über CO2-Sensoren, Filtertechnik und misst z.B. in Echtzeit Restluftmengen“.

Für den Bereich Wärme wird im Oberland fast die Hälfte der Energie verbraucht. Wer auf erneuerbare Quellen umsteigt und gleichzeitig Energie spart, kann viel für den Klimaschutz tun. Quelle: Energie- und CO2 Bilanz Oberland (Daten von 2016): https://energiewende-oberland.de/download/afgja9hqjcf8fjt83ddvhga7oi4/2019-07-25%20Oberlandbilanz.pdf

Im Oberland werden 44% der Energie für Wärme eingesetzt und verursachen 31% der CO2-Emissionen. Davon wiederum stammen 44% von privaten Haushalten. Das Projekt REPLACE möchte darum Endkunden zum Heizungstausch und gleichzeitig zum Energiesparen motivieren, spricht aber auch Fachleute wie Installateure, Kaminkehrer, Architekten und Energieberater sowie die politische Ebene an, damit auch sie ihre Kunden Richtung klimafreundliche Technologien beraten und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Auf der Webseite www.wärmewende-oberland.de sind Werkzeuge wie nutzerfreundliche Handbücher für Endkunden und Fachkräfte zu finden, eine Heizungsmatrix, die von Passivhaus bis Bestandsbauten in einer übersichtlichen Tabelle geeignete Technologien darstellt oder ein Heizungsrechner, mit dem überschlägig Heizungstauschprojekte berechnet werden können. Vor Ort konnten sich bereits Endkunden bei den Tagen der offenen Heizungskeller beim Nachbarn über klimafreundliche Heizsysteme informieren, Dorfheizungen öffneten ihre Türen in den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau, die Besichtigung von kommunalen Wärmenetzen im Landkreis Miesbach ist geplant.

Kontakt:
Energiewende Oberland, Andreas Scharli: scharli@energiewende-oberland.de , Tel 08856 80 53 6-20

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