“Wieder hat ein Krieg begonnen, in dessen Zentrum die fossilen Brennstoffe stehen. … Und die Tatsache, dass Schlagworte wie Energieabhängigkeit, Versorgungssicherheit, Zuverlässigkeit, Preisstabilität jetzt wieder von großer Bedeutung sind, ist das einzig Gute an der Situation.”
Mit Blick auf die aktuelle Situation in der Ukraine und deren Einfluss auf den europäischen Energiesektor begrüßte Dominik Rutz (WIP Renewable Energies) mehr als 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum REPLACE Innovationsworkshop am 8. April 2022 in Wels. Im Rahmen der World Energy Efficiency Conference nutzte das REPLACE-Projektteam die Gelegenheit, sich mit den Teilnehmer*innen über erneuerbares Heizen und Kühlen im Wohnbereich auszutauschen.
Nachdem sich die Politik lange Zeit nur auf den Strom- und dann auf den Mobilitätssektor konzentriert und den Wärme- und Kältesektor vernachlässigt habe, seien nun die Konsequenzen zu spüren, so Rutz. “Das Projekt REPLACE setzt genau hier an und fördert den Umstieg von fossilen Energien auf erneuerbare Heizsysteme im Wärme- und Kältesektor.”
Der Workshop stellte das Projekt REPLACE mit seinen Zielen, Instrumenten und Maßnahmen vor, gab einen Überblick über die Dekarbonisierung des Wärme- und Kältesektors in Europa und befasste sich mit den wichtigsten Herausforderungen und Triebkräften sowie möglichen Lösungen und Empfehlungen für eine erfolgreiche Umstellung auf klimafreundliche Technologien.
Das REPLACE-Projekt
In seiner Präsentation des REPLACE-Projekts stellte Projektleiter Herbert Tretter (Österreichische Energieagentur) die 11 Partner in 9 Ländern vor, mit denen REPLACE unterschiedliche Situationen in Bezug auf sozioökonomische Bedingungen und Marktentwicklung abdeckt. “Ziel ist es, die Raumheizung und Warmwasserbereitung in Privathaushalten unabhängig von Energieimporten zu machen, wobei die grüne Wärme vom eigenen Dach, aus dem Garten, der Erde oder dem heimischen Wald kommen soll”, betonte Tretter. Als weiteren Kernpunkt des Projekts stellte er neben den kostenlosen Austauschwerkzeugen die 9 lokalen Arbeitsgruppen vor, die in den Regionen auf dem Wärmemarkt aktiv sind und an der Entwicklung von Maßnahmen beteiligt sind, die nun umgesetzt werden.
Dekarbonisierung des Wärme- und Kältesektors – Keynote-Präsentation Prof. Neven Duić
Prof. Neven Duić von der Abteilung für Energie, Energietechnik und Umwelt an der Universität Zagreb gab einen Überblick über die Dekarbonisierung des Heiz- und Kühlsektors im Wohnbereich. Er wies darauf hin, dass die Dekarbonisierung schnell erfolgen muss: “Aus der Klimaperspektive sollte dies bis 2040 geschehen. Aus der Perspektive der Versorgungssicherheit müsste dies sogar noch schneller geschehen, idealerweise schon im nächsten Winter”.
Prof. Duić stellte 4 mögliche Wege zur Dekarbonisierung vor, “wobei Wärmenetze der vielseitigste Weg für die städtische Beheizung sind, da sie aus zahlreichen erneuerbaren Quellen gespeist werden können, wie z. B. Abwärmenutzung, Solarenergie, Geothermie, Wärmepumpen, Biomasse usw.”, sowie Wärmepumpen als individuelle Heizsysteme. In Bezug auf die europäische Politik (effiziente Fernwärme, Art. 24 EED-Neufassung) stellte Prof. Duić die Ziele für effiziente Wärmenetze von 2025 bis 2050 vor, aus denen hervorgeht, dass erneuerbare Energiequellen, Abwärme und hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplung einen stetig steigenden Anteil erreichen müssen. Die Kraft-Wärme-Kopplung in Wärmenetzen soll nach 2035 vollständig auslaufen. Neben der verstärkten Nutzung der Solarenergie und der Wärmespeicherung nannte Prof. Duić die Geothermie als eine in Europa weithin verfügbare und angesichts der derzeit hohen Gaspreise und der Notwendigkeit, Gaskessel zu ersetzen, machbare Option.
Die Schlussfolgerung von Prof. Duić lautet: “Die Integration von Strom-, Wärme-, Kälte-, Wasser- und Verkehrssystemen ist so bald wie möglich erforderlich. Es besteht ein Bedarf an intelligenten Energiesystemen, die billig und einfach sind. Es ist notwendig, sich auf Wärmenetze zu konzentrieren, die sehr vielseitig bei der Integration verschiedener Wärmeströme in städtischen Gebieten sind, sowie auf Wärmepumpen in ländlichen und vorstädtischen Gebieten – unter Einbeziehung von erneuerbaren Energien und erneuerbarem Strom. Und es ist wichtig, darauf zu achten, dass Biomasse nur in Kaskaden verwendet wird – keine Bäume zum Heizen zu fällen, sondern Holz mit höherer Wertschöpfung zu verwenden und nur Abfallbiomasse zum Heizen einzusetzen.”
Aktionen in den REPLACE-Regionen
Gašper Stegnar vom Jožef Stefan Institute Energy Efficiency Centre (JSI) stellte Maßnahmen aus den REPLACE-Regionen vor, die den Ausstieg aus ineffizienten und alten Heiz- und Kühlsystemen fördern. Stegnar verwies unter anderem auf den One-Stop-Shop des Projektleiters Österreichische Energieagentur in Österreich. Auf einer Internetplattform können Interessierte Anbieter in ihrer Nähe auswählen, die klimafreundliche Anlagen in einem Rundum-Sorglos-Paket umsetzen.
Oder die Beteiligung des Projektpartners BSERC an der Aufstockung der Förderung für erneuerbare Anlagen auf 70 Millionen Euro und die Organisation eines gemeinsamen Pelletseinkaufs, um gute Preise zu erzielen. Ein weiteres Beispiel war die Entwicklung eines neuen Förderprogramms in Spanien, mit dem innerhalb weniger Monate insgesamt 10 MW Heizkesselleistung in Haushalten von fossilen Brennstoffen auf Biomasse umgestellt werden. Und schließlich die Kampagne aus Slowenien, wo jeder, der eine klimafreundliche Heizung beantragt, den REPLACE-Heizungsrechner nutzt. Darüber hinaus hat die JSI-Kampagne “Heizöl der Umwelt zuliebe ersetzen” dazu geführt, dass über 130 Heizölkessel durch Wärmepumpen ersetzt wurden.
Materialien im REPLACE-Projekt
Benedetta di Constanzo von WIP Renewable Energies stellte die kostenlosen Materialien vor, die das REPLACE-Projekt für Endkunden, Vermittler und Investoren bereitstellt: Den Leitfaden für Endverbraucher, der z.B. die Vorteile eines nachhaltigen Heizsystems, sieben Schritte für den Austausch sowie eine Liste von erneuerbaren Technologien enthält. Der Leitfaden für Vermittler und Investoren, der z. B. den gesamten Austauschprozess, zu vermeidende Fehler und Gründe für Investoren, in erneuerbare Systeme zu investieren, umfasst. Und die Sammlung von rund 40 Best-Practice-Beispielen, bei denen es sich, wie di Constanzo betonte, “um Geschichten aus dem wirklichen Leben handelt, die zeigen, dass klimafreundliche Heizsysteme möglich, technisch und wirtschaftlich machbar sind”.
Der REPLACE-Rechner
Als eines der wichtigsten Werkzeuge demonstrierte Herbert Tretter den REPLACE-Rechner. “Es gibt viele Dinge zu beachten – welche Technologien und Brennstoffe stehen zur Verfügung, welche Förderprogramme können berücksichtigt werden und wie hoch sind die Heizkosten, wenn ich nicht nur die Anschaffungskosten betrachte”, sagte er. Der Rechner soll helfen, die beste Lösung für das eigene Haus zu finden, z.B. gemeinsam mit einem Energieberater oder Installateur.
Die wichtigsten Herausforderungen und Triebkräfte für die Einführung erneuerbarer Energien im Wärme- und Kältesektor – Runder Tisch
Im zweiten Teil des Workshops fand ein Runder Tisch statt, um die wichtigsten Herausforderungen und Triebkräfte für die Einführung von erneuerbarer Wärme und Kälte in Südost- und Mitteleuropa zu diskutieren.
Der Runde Tisch, der von Karina Knaus (Österreichische Energieagentur) moderiert wurde, begann mit einer Einführung in die unterschiedliche Situation der Wärme- und Kälteversorgung in den Partnerregionen. In der Region Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) gibt es fast 100 % fossil befeuerte Heizsysteme, von denen die Hälfte durch Gasfernwärme und gasbefeuerte Einzelheizungen abgedeckt wird. In der Region Rhodopen (Bulgarien) mit vielen energiearmen Haushalten wird traditionell mit Brennholz in ineffizienten, umweltschädlichen Öfen geheizt (70 %), während Holzpellets, Luft-Wärmepumpen und Solarthermie eine untergeordnete Rolle spielen.
In der Region KAGoP (Nordmazedonien) dominiert das Heizen mit Brennholz und Strom, in der Hauptstadt Skopje sind 25 % an Fernwärme angeschlossen. In der Region Salzburg heizen bereits 35% mit klimafreundlicher Fernwärme. Das restliche Viertel, die mit Gas und Öl heizen, können zwar Förderungen für den Heizungstausch erhalten, werden aber durch einen Mangel an Fachkräften und Materialien gehindert. Und im bayerischen Oberland (Deutschland) heizen 80 % der Privathaushalte noch mit fossilen Brennstoffen, die wie in Österreich von Fördermitteln profitieren können, aber ebenfalls durch einen Mangel an Fachkräften gehindert werden.
Wie in der Diskussion deutlich wurde, wirken die durch den Krieg in der Ukraine steigenden Preise für Pellets und Strom den REPLACE-Aktivitäten entgegen, so dass z.B. in Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien und Bulgarien die Endkunden wieder mit Kohle oder Brennholz heizen und damit die Wärmewende verlangsamen.
Warum hat der Wandel noch nicht stattgefunden?
Die Frage von Karina Knaus, warum ein Wandel jenseits der aktuellen Situation noch nicht stattgefunden hat, obwohl er für den Klimaschutz notwendig ist, wurde von den Teilnehmer*innen des Runden Tisches unterschiedlich beantwortet.
In Österreich und auch in Deutschland helfen Subventionen beim Ausstieg aus Öl und Gas und bei der Gebäudesanierung. Gleichzeitig stellt der Mangel an Installateuren, Heizkesseln und Ersatzteilen derzeit ein Hindernis dar, so dass ein Heizungstausch nicht umgesetzt werden kann, wie Herbert Tretter und Ingo Ball feststellten. Außerdem “gibt es Akteure auf dem Markt, die fossile Brennstoffe gerne zu Discountpreisen verkaufen, was dem Markt für erneuerbare Energien nicht zuträglich ist”, so Ball.
In Nordmazedonien, Bulgarien und Bosnien und Herzegowina spielen die fehlenden Subventionen für den Austausch und die Renovierung von Heizungsanlagen, das Fehlen gesetzlicher Strategien für die Renovierung und von Anforderungen an erneuerbare Energien eine Rolle. Im sozialen Bereich fehle es an entsprechend ausgebildetem Personal in den Kommunen. Finanzielle und politische Maßnahmen wären für einen Wandel notwendig.
Mögliche Lösungen und Instrumente
Zum Abschluss des Workshops diskutierten die Teilnehmer*innen mögliche Lösungen zur Umsetzung von klimafreundlichem Heizen und Kühlen. Um die Pelletspreise langfristig zu stabilisieren, stellte Herbert Tretter den in Österreich bewährten Ansatz vor, nationale Pelletslager für den heimischen Bedarf einzurichten, anstatt zu viele Pellets zu exportieren. Außerdem seien derzeit vor allem für einkommensschwache Haushalte Förderungen notwendig, um nachzurüsten. Zudem empfahl Herbert Tretter mehr Solidarität innerhalb der EU bei der Wärmewende.
Für Bosnien und Herzegowina wünscht sich Samra Muratspahic die Fortführung von Förderungen und politischen Maßnahmen, die derzeit umgesetzt werden. Dazu gehört ein Projekt in der Region, bei dem erstmals Zuschüsse für den Austausch von Heizungsanlagen gezahlt werden, sowie eine Strategie für den Austausch in Gebieten, die für die Luftqualität wichtig sind.
Im bayerischen Oberland funktionieren so genannten Dorfheizungen gut, bei denen die Landwirte ihr eigenes Holz zum Betrieb eines Mikronetzes für ihr Viertel verwenden. Energiekarawanen in sanierungsbedürftigen Quartieren und kurze Erklärvideos, z.B. für die Beantragung von Fördermitteln, gehören zu den bewährten Mitteln.
In der Rhodopen-Region haben sich REPLACE-Instrumente wie Technologie-Factsheets, Best-Practice-Beispiele und Info-Hubs als besonders nützlich erwiesen, um Ratschläge zu vermitteln und die Menschen zum Austausch zu mobilisieren, wie Angel Nikolaev erklärte.
Und aus der Perspektive der KAGoP-Region in Nordmazedonien empfahl Emilija Mihajloska die Ausarbeitung strategischer Dokumente im Einklang mit den Zielen und Maßnahmen der EU. Geeignet seien Förderungen für Pellets, Inverter, Dach- und Fassadenbau, mehr Förderungen im Bereich der Wärmepumpen und PV-Anlagen sowie die Nachrüstung von Bestandsgebäuden.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Der REPLACE-Workshop endete mit Schlussfolgerungen und Empfehlungen, die von Ignacio Macías (ESCAN Energy Consulting, Spanien) vorgestellt wurden. Zu den REPLACE-Ergebnissen gehörte die Tatsache, dass die Mehrheit der Bevölkerung klimafreundliche Lösungen wünscht, dass aber die Anfangsinvestitionen das größte Hindernis darstellen. Gut informierte Interessengruppen und Verbraucher erzielen zusammen mit Fördergeldern bessere Ergebnisse. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist der wichtigste limitierende Faktor.
Gleichzeitig haben gemeinsame Aktionen wie der österreichische One-Stop-Shop gezeigt, dass es Raum für Verbesserungen gibt, beispielsweise wenn Arbeiter alte Heizungen demontieren und so Zeit für geschulte Installateure schaffen, um neue Systeme zu installieren. Darüber hinaus hat der Anstieg der Preise für fossile Brennstoffe die Wettbewerbsfähigkeit der erneuerbaren Energien erhöht, die allgemeine Inflation hat den Austauschprozess allerdings verlangsamt.
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